Schweizer Erwachsenenschutzrecht

Rechtsanwältin Angelika Huser, MLaw, Zürich

Überblick
Das Schweizer Erwachsenenschutzrecht dient dazu, das Selbstbestimmungsrecht jedes Einzelnen zu fördern. Es wird zwischen der eigenen Vorsorge und behördlichen Massnahmen unterschieden. Beides ist im Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB) geregelt. 

Behördliche Massnahmen
Bei behördlichen Massnahmen gelten das Subsidiaritäts- und das Verhältnismässigkeitsprinzip. So soll die Selbstbestimmung der betroffenen Person so weit wie möglich erhalten bleiben. Behördliche Massnahmen werden somit nur dann angeordnet, wenn die Unterstützung der hilfsbedürftigen Person durch die Familie, andere nahestehende Personen, private oder öffentliche Dienste nicht ausreicht oder wenn bei Urteilsunfähigkeit keine oder keine ausreichende eigene Vorsorge getroffen wurde.

Die behördlichen Massnahmen werden unter dem Begriff „Beistandschaft“ zusammengefasst.

Zuständig für die Anordnung einer Beistandschaft ist die Erwachsenenschutzbehörde. Diese errichtet eine solche Massnahme, wenn eine volljährige Person wegen einer geistigen Behinderung, einer psychischen Störung oder eines ähnlichen Schwächezustandes ihre Angelegenheiten nicht oder nur teilweise besorgen kann oder wenn eine Person wegen vorübergehender Urteilsunfähigkeit oder Abwesenheit in Angelegenheiten, die erledigt werden müssen, weder selber handeln kann, noch einen Stellvertreter bezeichnet hat.

Die Erwachsenenschutzbehörde wird auf Antrag der betroffenen Person, einer ihr nahestehenden Person oder von Amtes wegen tätig. Unterschieden werden vier Arten von Beistandschaften: Die Begleitbeistandschaft, welche der reinen Unterstützung dient;die Vertretungsbeistandschaft, welche errichtet wird, wenn die hilfsbedürftige Person bestimmte Angelegenheiten nicht selber erledigen kann und deshalb vertreten werden muss;die Mitwirkungsbeistandschaft, welche errichtet wird, wenn bestimmte Handlungen der Zustimmung eines Beistandes bedürfen sowie die umfassende Beistandschaft, welche für eine dauernd urteilsunfähige Person errichtet wird.

Der Aufgabenbereich der Beistandschaft betrifft die Personenvorsorge, die Vermögensvorsorge und/oder den Rechtsverkehr.

Die Erwachsenenschutzbehörde ernennt als Beistand oder Beiständin eine natürliche Person. Die betroffene Person kann aber eine Vertrauensperson vorschlagen. Üblich sind Berufsbeistände, seltener sogenannte private Beistände. Der Beistand hat der Erwachsenenschutzbehörde periodisch Bericht zu erstatten. Für bestimmte Geschäfte braucht es zusätzlich die Zustimmung der Erwachsenenschutzbehörde.

Eigene Vorsorge
Unter die eigene Vorsorge fallen sowohl das Institut des Vorsorgeauftrages, als auch die Patientenverfügung. Wenn weder ein Vorsorgeauftrag noch eine Beistandschaft besteht, stehtdem Ehegatten oder dem eingetragenen Partner von Gesetzes wegen ein Vertretungsrecht zu.

Vorsorgeauftrag
Wer handlungsfähig ist, kann in einem Vorsorgeauftrag eine natürliche oder juristische Person beauftragen, im Falle ihrer Urteilunfähigkeit die Personen- oder Vermögensvorsorge zu übernehmen oder sie im Rechtsverkehr zu vertreten. Der Vorsorgeauftrag ist – ähnlich eines Testaments – eigenhändig, d.h. von Anfang bis Ende handschriftlich zu verfassen, zu datieren und zu unterzeichnen oder öffentlich zu beurkunden. Der Vorsorgeauftrag kann jederzeit widerrufen werden.
Das Zivilstandsamt vermerkt auf einer Datenbank, dass ein Vorsorgeauftrag besteht und wo dieser aufbewahrt wird. Sobald die Erwachsenenschutzbehörde erfährt, dass eine Person urteilsunfähig geworden ist, erkundigt sie sich, ob ein entsprechender Vorsorgeauftrag vorliegt, dieser gültig errichtet wurde, ob die Voraussetzungen für die Wirksamkeit eingetreten sind und ob die beauftragte Person für die Aufgaben geeignet ist. Allenfalls ordnet sie weitere Massnahmen an. Die Erwachsenenschutzbehörde beaufsichtigt die beauftragte Person und kann ihr Weisungen erteilen oder ihr Befugnisse teilweise oder ganz entziehen.
Sobald die auftraggebende Person die Urteilsfähigkeit zurückerlangt, verliert der Vorsorgeauftrag seine Gültigkeit.

Die Patientenverfügung
In einer Patientenverfügung kann eine urteilsfähige Person festlegen, welchen medizinischen Massnahmen sie im Falle ihrer Urteilsunfähigkeit zustimmt oder welche sieablehnt. Zudem kann eine natürliche Person bezeichnet werden, die bei Urteilsunfähigkeit mit einem Arzt die medizinischen Massnahmen bespricht und in ihrem Namen entscheiden soll.
Die Patientenverfügung ist schriftlich zu errichten, zu datieren und zu unterzeichnen. Auf der Versichertenkarte kann zudem eingetragen werden, dass eine Patientenverfügung errichtet wurde und wo sie hinterlegt ist. Die Erwachsenenschutzbehörde kann bei Missbrauch oder bei einer Gefährdung der Interessen einschreiten.