Polen: Allgemeine Vollmacht, Einzelvollmacht und Sondervollmacht

 Nach polnischem Recht werden alte Menschen nicht automatisch von Angehörigen oder Ehepartnern vertreten. Natürlich können im Notfall die Angehörigen oder Ehepartner z.B. im Krankenhaus Informationen über die Gesundheit erhalten sowie Zustimmung zur Krankenpflege geben (laut polnischen Rechtsvorschriften: Gesetz über Patientenrechte und Beauftragten für die Patientenrechte und Gesetz über Berufe des Arztes und des Zahnarztes). Um jedoch über andere Aspekte des Lebens von Menschen entscheiden zu können (z.B. Vertretung gegenüber Institutionen wie Post und Bank oder Entscheidung über das Vermögen), ist es erforderlich, über eine Vollmacht zu verfügen, eventuell eine Pflegschaft oder Vormundschaft durch das Gericht zu bestellen; insbesondere, wenn eine Person infolge von Geisteskrankheit, Geistesschwäche oder eine psychische Störung anderer Art der nicht in der Lage ist, ihre Handlungen selbst zu bestimmen oder der Hilfe bei der Erledigung ihrer Angelegenheiten bedarf.

 Grundsätzlich existiert in Polen keine spezielle Vollmacht zur Vertretung alter Menschen, die nicht mehr handeln können. Nach dem polnischen Recht unterscheidet man zwischen drei Formen der Vollmacht: allgemeine Vollmacht, Einzelvollmacht oder Sondervollmacht.

 Laut Art. 98 des Zivilgesetzbuches umfasst eine allgemeine Vollmacht die Ermächtigung zu Handlungen im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftsführung.

Für Rechtsgeschäfte, die den Bereich der gewöhnlichen Geschäftsführung überschreiten, ist eine die Art der Geschäfte bestimmende Vollmacht erforderlich (Einzelvollmacht) – es sei denn, dass das Gesetz eine Vollmacht für das einzelne Rechtsgeschäft fordert (Sondervollmacht). Die Einzelvollmacht umfasst die Ermächtigung zu Handlungen einer bestimmte Gruppe oder Klasse (z.B. Erhebung der Miete). Die Sondervollmacht umfasst die Ermächtigung zu Vornahme von Handlungen, die ein einzelnes Rechtsgeschäft betreffen (z.B. Verkauf einer bestimmten Immobilie).

 Grundsätzlich kann eine Vollmacht von jedem erstellt werden, und ist es nicht erforderlich, dass sie durch bestimmte Behörden oder Amtspersonen erstellt bzw. bestätigt wird. Eine Vollmacht zu Handlungen vor dem Postamt oder Finanzamt kann natürlich direkt gegenüber der Behörde erteilt werden. Jedoch gibt es Situationen, in denen eine Vollmacht nur vor dem Notar erstellt werden kann. Art. 99 des Zivilgesetzbuches besagt: Ist zur Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts eine besondere Form erforderlich, so muss die Vollmacht zur Vornahme des Rechtsgeschäfts in der gleichen Form erteilt werden. So muss z.B. eine Vollmacht zum Abschluss des Kaufvertrages über eine Immobilie notariell beurkundet werden. Dagegen bedarf eine Vollmacht zur Veräußerung der Anteile an einer GmbH sowie zur Verpfändung der Anteile der Schriftform mit notariell beglaubigten Unterschriften.

 Eine gesonderte Bestätigung des Umfangs der Vollmacht ist nach dem polnischem Recht nicht erforderlich. Durch die Unterschrift unter der Vollmacht bestätigt der Vollmachtgeber den Inhalt der Vollmacht.

 Grundsätzlich ist die Vertretung durch eine Vollmacht in allen Bereichen erlaubt. Zu beachten ist jedoch Folgendes: Ist zur Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts eine besondere Form erforderlich ist, so muss die Vollmacht zur Vornahme des Rechtsgeschäfts in der gleichen Form erteilt werden. Folglich ist zum Abschluss des Kaufvertrages über eine Immobilie oder über die Veräußerung eines Anteils eine besondere Form der Vollmacht erforderlich.

 In Polen gibt es keine Institution, die die Vollmachten kontrolliert. Wenn die Vollmacht vor dem Notar erteilt wird, kann der Notar die Erstellung der Vollmacht verweigern, falls er bemerkt, dass der Vollmachtgeber dem Sachverhalt nicht folgen kann oder geschäftsunfähig ist. Nach Art. 101 des polnischen Zivilgesetzbuches kann die Vollmacht jederzeit widerrufen werden, es sei denn, dass der Vollmachtgeber auf den Widerruf der Vollmacht aus Gründen verzichtet hat, die im Inhalt des Rechtsverhältnisses begründet sind, das Grundlage der Vollmacht ist. Außerdem erlischt jede Bevollmächtigung mit dem Tode des Vollmachtgebers oder des Bevollmächtigten, es sei denn, dass in der Vollmacht aus Gründen des die Grundlage der Vollmacht bildenden Rechtsverhältnisses etwas anderes vorbehalten ist (z.B. erlischt beim Auftrag das Auftragsverhältnis infolge des Todes des Auftraggebers grundsätzlich nicht).

 In Polen gibt es keine staatliche Genehmigung für die Vollmachten, aber nach polnischem Recht ist es auch möglich eine Vollmacht direkt gegenüber der Behörde zu erteilen – z.B. Post, Finanzamt, Bank usw.

 Falls eine Vollmacht in Form einer notariellen Urkunde durch einen deutschen Notar erstellt wird, eine Unterschrift des Vollmachtgebers durch den deutschen Notar beglaubigt wird oder eine Vollmacht durch die Verwaltungsbehörden in Deutschland erstellt wird, so muss dieses Dokument mit einer Apostille beglaubigt und von einem vereidigten Übersetzer ins Polnische übersetzt werden. In anderen Fällen dürfte eine Übersetzung der Vollmacht ins Polnische durch einen vereidigten Übersetzer ausreichen.

adw. Anna Smagowicz –Tokarz

– Rechtsanwältin PL –

Rödl & Partner, Krakau, Polen