Die Vertretung geschäftsunfähiger Personen in Österreich

Wenn eine volljährige Person aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens (zum Beispiel die ordentliche Führung des Haushalts oder Alltagsgeschäfte des täglichen Bedarfs) nicht mehr besorgen kann und zudem vom Gericht kein Sachwalter bestellt wurde, kann ein nächster Angehöriger die Vertretung der Person für das jeweilige Rechtsgeschäft übernehmen (gesetzliche Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger, §§ 284 ff ABGB).

Es handelt sich um eine beschränkte Vertretungsbefugnis, und zwar für Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens oder zur Deckung des Pflegebedarfs, insbesondere zur Organisation von Pflege und Betreuung (zum Beispiel Organisieren von Heimhilfen, Krankenpflege oder sonstiger Pflegeleistungen) sowie für die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Titel des Alters, der Krankheit, der Behinderung oder Armut (zum Beispiel Ansprüche auf Pflegegeld, Mindestsicherung, Gebührenbefreiung, diverse Begünstigungen). Weiters besteht auch eine Vertretungsbefugnis für medizinische Behandlungen oder Untersuchungen, sofern diese nicht mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit oder der Persönlichkeit verbunden sind.

Keine Vertretungsbefugnis besteht für schwerwiegende Heilbehandlungen, Wohnortwechsel, Haushaltsauflösung, Verkauf von Liegenschaften oder für allgemein schwierige und umfangreiche finanzielle Angelegenheiten.

Voraussetzung ist jeweils, dass den zu vertretenen Personen die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit fehlt.

Als nächste Angehörige gelten der im gemeinsamen Haushalt lebende Ehegatte, der im gemeinsamen Haushalt lebende eingetragene Partner, der Lebensgefährte (sofern er mindestens 3 Jahre mit dem Betroffenen im gemeinsamen Haushalt lebt), volljährige Kinder und Eltern, nicht jedoch Geschwister.

Wenn nunmehr eine solche Person von einem nächsten Angehörigen vertreten werden soll, muss diese Vertretungsbefugnis von einem öffentlichen Notar registriert werden. Die Registrierung wird im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) vorgenommen. Diesbezüglich ist eine einmalige Registrierungsgebühr zu entrichten. Für diese Registrierung muss der nächste Angehörige eine Bescheinigung über sein Naheverhältnis zur betroffenen Person vorlegen. Weiters ist auch die Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses über die mangelnde Geschäftsfähigkeit oder Einsichts- und Urteilsfähigkeit der zu vertretenden Person nötig. Sobald eine Registrierung erfolgt ist, erhält der nächste Angehörige eine Registrierungsbestätigung. In dieser Registrierungsbestätigung scheinen auch sämtliche Bereiche der Vertretungsbefugnis und die damit verbundenen Rechte und Pflichten auf. Mit dieser Bescheinigung bzw. Registrierungsbestätigung können beispielsweise auch Beträge, soweit sie das Existenzminimum nicht überschreiten, vom Konto der vertretenen Person bezogen werden.

Der Angehörige muss dem Betroffenen die Vertretungsbefugnis mitteilen. Die betroffene Person kann dieser Vertretungsbefugnis auch widersprechen. Allerdings muss auch dieser Widerspruch im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) registriert werden. Der Widerspruch des Angehörigen ist entweder einem Notar oder einem Rechtsanwalt in schriftlicher Form vorzulegen. Grundsätzlich ist es für eine betroffene Person auch möglich, bereits im Vorhinein vorbeugend Widerspruch gegen die Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger auszusprechen. Ein solcher Widerspruch kann sich auf alle Bereiche oder auch nur auf einzelne Bereiche der gesetzlichen Vertretungsbefugnis beziehen.

Sollte sich ein Verdacht auf Missbrauch der Vertretungsbefugnis ergeben, hat die Behörde/Stelle (die mit der Vertretungsbefugnis konfrontiert wird) eine Mitteilung an das Pflegschaftsgericht zur Überprüfung des Angehörigen und zur allfälligen Bestellung eines Sachwalters zu erstatten. Mit einer Sachwalterbestellung würde die gesetzliche Vertretungsbefugnis der Angehörigen enden.

Neben dieser gesetzlichen Vertretung durch nächste Angehörige besteht in Österreich auch die Möglichkeit der Errichtung einer sogenannten Vorsorgevollmacht (§§ 284f ABGB). Es handelt sich um eine gewillkürte Vertretung. Bereits vor dem Verlust der Geschäftsfähigkeit, der Einsichts- und Urteilsfähigkeit oder der Äußerungsfähigkeit kann eine Person mit einer Vorsorgevollmacht selbst bestimmen, wer im Anlassfall als Bevollmächtigter für sie entscheiden und sie vertreten kann.

Die betroffene Person kann mit der Vorsorgevollmacht festlegen, für welche Angelegenheiten der Bevollmächtigte zuständig werden soll. Es ist auch möglich, mehrere Personen zu bevollmächtigen, die beispielsweise unterschiedliche Aufgaben übernehmen. Für die Errichtung der Vorsorgevollmacht muss die betroffene Person aber noch geschäftsfähig oder einsichts- und urteilsfähig sein. Sollte dies nicht der Fall sein, tritt entweder die gesetzliche Vertretungsbefugnis der nächsten Angehörigen ein oder ist ein Sachwalter vom Gericht zu bestellen.

Die Vorsorgevollmacht wird entweder vom Betroffenen eigenhändig geschrieben und unterschrieben oder kann vor einem Notar, einem Rechtsanwalt oder vor Gericht errichtet werden. Wenn in der Vorsorgevollmacht Einwilligungen in gravierende medizinische Behandlungen festgehalten werden oder sich die Vorsorgevollmacht auf Entscheidungen über eine dauernde Änderung des Wohnortes oder die Besorgung von wichtigen Vermögensangelegenheiten bezieht, muss die Vorsorgevollmacht zwingend vor einem Notar, einem Rechtsanwalt oder vor Gericht errichtet werden. Für Bankgeschäfte verlangen manche Banken meistens auch eine Spezialvollmacht für das entsprechende Konto des Betroffenen, welche von der Vorsorgevollmacht umfasst sein muss. Demnach muss detailliert beschrieben sein, für welches Konto und bei welcher Bank diese Spezialvollmacht gelten soll.

Die Vorsorgevollmacht kann im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) registriert werden. Sie kann jederzeit vom Vollmachtgeber widerrufen werden.
Weitere Widerrufsmöglichkeiten (zum Beispiel staatlicherseits) sind nicht vorgesehen.

Ob eine Vollmacht aus Deutschland hier anerkannt würde, hängt davon ab, ob eben die hierorts gesetzlich vorgeschriebenen Regelungen und Abläufe eingehalten werden.

Beiliegend überlasse ich Ihnen eine Muster-Vorsorgevollmacht, ein Muster zum Widerspruch gegen die gesetzliche Vertretung und die dementsprechenden Gesetzesbestimmungen.

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Dr. Ingrid Neyer
Rechtsanwältin und Verteidigerin in Strafsachen
Schmiedgasse 23
A-6800 Feldkirch