Betreuungsrecht, Betreuungsverfügungen, Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen international: LETTLAND

Zur Aktualisierung der im Rahmen des Forschungsinstituts der Kester-Haeusler-Stiftung veröffentlichten Informationen rund um die Themen Betreuungsrecht, Betreuungsverfügungen, Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen international:

Sieht die Gesetzgebung in Lettland die Erstellung von Vorsorgevollmachten für den Fall vor, dass eine erwachsene Person bedingt durch Krankheit oder Unfall geschäftsunfähig wird?
Ja, in Lettland wird die Vorsorgevollmacht als Vorab-Bevollmächtigung bezeichnet. Es kann ebenso wie in Deutschland ein Bevollmächtigter für den Fall bestellt werden, dass der Vollmachtgeber nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu regeln. Es handelt sich bei der Vorab-Bevollmächtigung um ein privatrechtliches Vorsorgeinstrument.
Je nachdem, wie weit Inhalt und Umfang der Vorab-Vollmacht ausgestaltet sind, ist sie dazu geeignet, die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung zu verhindern. Es kommt darauf an, ob die Vollmacht dazu geeignet ist, bzw. den Bevollmächtigten dazu ermächtigt, alle notwendigen Maßnahmen, die erforderlich sind, die wohlverstandenen Interessen des Vollmachtgebers zu schützen und sicherstellen zu können.
Als Bevollmächtigter kommt jede Person in Betracht, die rechtlich handlungsfähig ist.
Der Bevollmächtigte kann keine Untervollmachten erteilen.

Gibt es Formvorschriften für die Erstellung der Vorab-Vollmacht?
Die Vollmacht wird in Anwesenheit des Vollmachtgebers und des Bevollmächtigten notariell beurkundet und anschließend im Vorsorgevollmachtsregister eingetragen. Eine Besonderheit ist, dass in diesem Register nicht nur die Existenz der Vollmacht eingetragen wird, sondern auch Informationen darüber, inwieweit die Befugnisse zur Vertretung gefasst sind.

Bezüglich welcher Lebensbereiche kann eine Vollmacht erstellt werden?
Inhaltlich kann sich die Vorab-Bevollmächtigung auf alle Lebensbereiche erstrecken, mit Ausnahme von höchstpersönlichen Rechtsgeschäften wie z. B.  Eheschließung, Adoption, Testamentserstellung usw. Gesetzlich festgelegt ist, dass der Bevollmächtigte bestmöglich zum Wohle des Vollmachtgebers zu handeln hat.

Ab welchem Zeitpunkt kann die Vollmacht ausgeübt werden?
Sie tritt ab Unterzeichnung in Kraft. Zu diesem Zeitpunkt ist der Bevollmächtigte aber noch nicht zur Vertretung berechtigt. Es muss zunächst festgestellt werden, dass der Vollmachtgeber entweder durch gesundheitliche Beeinträchtigung oder aufgrund anderer Umstände nicht (mehr) in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen, bzw. sein eigenes Handeln nicht mehr verstehen und / oder nicht mehr realistisch einschätzen kann. Wenn diese Voraussetzung vorliegt und die Vollmacht im Vorsorgevollmachtsregister eingetragen ist, ist der Bevollmächtigte befugt, für den Vollmachtgeber rechtlich wirksam zu handeln.
Bei Tod des Vollmachtgebers muss der Bevollmächtigte seine ihm übertragenen Aufgaben noch so lange erfüllen, bis die Erben des Vollmachtgebers entsprechende Weisungen erteilen.
Findet eine Kontrolle des Vorab-Bevollmächtigten statt?
Wie oben erwähnt, muss der Bevollmächtigte im wohlverstandenen Interesse des Vollmachtgebers handeln. Wenn es Anlass dazu gibt, an der Redlichkeit des Bevollmächtigten zu zweifeln, kann das Gericht die Vertretungsberechtigung des Bevollmächtigten aufheben. Die Aufhebung muss ebenso wie die Errichtung notariell registriert werden.

Gibt es in Lettland Patientenverfügungen?
Ja, in Kombination mit der Vorsorgevollmacht. Wenn in der Vollmacht der Bevollmächtigte dazu berechtigt wird, den Vollmachtgeber in Gesundheitsangelegenheiten zu vertreten und Entscheidungen bzgl. medizinischen Behandlungen für diesen zu treffen müssen die behandelnden Ärzte über das Vorliegen der Vollmacht informiert werden. Die geäußerten Wünsche und Vorstellungen des Vollmachtgebers hinsichtlich medizinischer Behandlungen sind zu beachten, d. h. die getroffenen Regelungen hinsichtlich der Patientenverfügung sind für die behandelnden Ärzte im Umfang der Vorsorgevollmacht bindend.

Was sind die Voraussetzungen für die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung, wenn keine wirksame Vorsorgevollmacht existiert?
Wenn keine privatrechtliche Vorsorge durch Vollmacht getroffen wurde, wird durch das örtlich und sachlich zuständige Betreuungsgericht (Vormundschaftsgericht) am Wohnort des Betroffenen ein Betreuungsverfahren eingeleitet.
Das Gesetz schreibt vor, dass bei Betroffenen mit entsprechenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder geistigen Behinderungen eine gesetzliche Betreuung eingerichtet werden muss. Dies dann, wenn festgestellt wurde, dass diese Maßnahme zum Wohle des Betroffenen erforderlich ist. In der Regel geht eine gesetzliche Betreuung mit der Beschränkung der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen einher. Die Intensität der Beschränkung richtet sich nach dem gesundheitlichen Zustand des Betroffenen. Dies muss aber nicht sein. Es gibt auch Fälle, in denen die Betreuung nur vorläufig angeordnet wird. Dann ist es auch möglich, diese Betreuung ohne Beschränkung der Geschäftsfähigkeit anzuordnen.

Wer kontrolliert die Arbeit der Betreuer?
Gesetzliche Betreuer unterliegen der Aufsicht durch die Vormundschaftsgerichte. Sie sind dazu berechtigt, jederzeit Nachweise über die ordnungsgemäße Führung des Verfahrens von dem Betreuer einzufordern. Bei wichtigen Angelegenheiten (z. B. Veräußerung und/oder Belastung von Immobilien und Grundstücken, Erbschaftsangelegenheiten usw.) entscheidet nicht der Betreuer, sondern das Vormundschaftsgericht.
Die Vermögensverwaltung des Betreuers wird durch die Vormundschaftsgerichte laufend geprüft, bei Abschluss des Betreuungsverfahrens muss der Betreuer Nachweise über die ordnungsgemäße Führung der Betreuung vorliegen usw.

Welches Recht wird bei Auslandsbezug einer Vorsorgevollmacht oder eines Betreuungsverfahrens angewendet?
Es ist das Recht des Wohnortes ausschlaggebend. Wenn eine Person mehrere – ausländische – Wohnsitze hat und einer davon in Lettland ist, kommt lettisches Recht zur Anwendung. Ebenso dann, wenn der Betroffene zwar keinen lettischen Wohnsitz hat, sich sein Vermögen aber in Lettland befindet.
Vorsorgevollmachten aus einem anderen Staat werden in Lettland dann anerkannt, wenn sie im Herkunftsland wirksam und notariell beurkundet sind. Außerdem dürfen sie nicht im Widerspruch zu lettischem Recht stehen.