Betreuungsrecht in Italien: Die Sachwalterschaft („amministrazione di sostegno“)

Rechtsanwalt Alexander Kritzinger, Bolzano, Italien

In Italien war das Betreuungsrecht bis Anfang 2004 ausschließlich durch die Bestimmungen über die Entmündigung und der damit einhergehenden Vormundschaft geregelt. Es konnten aber nur aber nur dauerhaft geistig stark eingeschränkte Personen entmündigt oder teilentmündigt werden.
Erst mit Gesetz Nr. 6/2004 wurde die Sachwalterschaft durch Neufassung der Artikel 404 bis 413 des ital. Zivilgesetzbuches (ZGB) eingeführt und geregelt.
Nun kann einer Person mit geringerer geistiger Einschränkung oder mit physischen oder psychischen Beeinträchtigungen, die es derselben dauerhaft oder zeitweilig unmöglich machen, die eigenen Interessen zu wahren, ein Sachwalter zur Seite gestellt werden. Die einer Sachwalterschaft unterstellte Person nennt man „Begünstigten“.
Dies ermöglicht nun, daß auch ältere Menschen, Personen mit besonderen Bedürfnissen (geistig oder körperlich), Schwerkranke, Menschen mit Suchtproblemen usw. von einem Sachwalter betreut werden können, sofern sie nicht mehr im Stande sind, auf sich und ihre Interesse zu schauen. Die Sachwalterschaft dient somit dem Schutz dieser Menschen, in dem ihre autonome Handlungsfähigkeit mehr oder weniger, je nach Schweregrad der Beeinträchtigung, eingeschränkt wird. Gewisse rechtliche Handlungen sind unwirksam, wenn sie ohne Sachwalter vorgenommen werden.

Der Sachwalter wird vom örtlich zuständigen Vormundschaftsrichter ernannt. Vorzugsweise wird eine Person aus dem familiären Umfeld des Begünstigten zum Sachwalter bestellt. Nur wo dies nicht möglich ist, bzw. in jenen Fällen, in denen innerhalb der Familie des Begünstigten Streit vorherrscht, ernennt der Richter einen familienexternen Sachwalter. Nach Möglichkeit sind dies Freunde/Bekannte des Begünstigten, Mitarbeiter der Sozialdienste oder Rechtsanwälte. In jedem Fall stehen aber bei der Auswahl des Sachwalters ausschließlich die Interessen des Begünstigten im Vordergrund. Die Eröffnung der Sachwalterschaft wird auch in verschiedenen Registern (wie z. B. im Geburtenregister und im Grundbuch angemerkt), sodaß jeder davon Kenntnis erlangen kann.

Ob die Voraussetzungen für die Eröffnung einer Sachwalterschaft vorliegen, entscheidet der Richter, wobei er, falls die Beeinträchtigung nicht offensichtlich ist, in der Regel einen Gutachter zu Rate zieht, der dann eine Bewertung pro oder contra Sachwaltwerschaft vornimmt, an die sich der Richter dann auch hält.

Der Sachwalter wird gerichtlich vereidigt und erhält vom Gericht die Vorgaben, an die er sich halten muß. So legt der Vormundschaftsrichter z. B. fest, über welchen Geldbetrag der Begünstigte im Monat frei verfügen darf und ab wann der Sachwalter die Behebungen bei der Bank vornehmen muß, oder daß der Sachwalter die Pflege des Begünstigten organisieren muß. Nur in ganz schwerwiegenden Fällen ersetzt der Sachwalter gänzlich den Begünstigten und nimmt alle Rechtsgeschäfte desselben vor.

Darüber hinaus muß der Sachwalter den Vormundschaftsrichter unter anderem bei folgenden Rechtsgeschäften eigens um vorherige Genehmigung ersuchen:
– Ankauf von Sachen (außer von jenen, die es im Haushalt braucht)
– Eintreibung von Forderungen
– Annahme/Verzicht von Erbschaften oder Schenkungen
– Beginn von Gerichtsverfahren
– Verkauf von Sachen
– Errichtung von Hypotheken
– Abschluß von Vergleichen.

Falls Rechtsgeschäfte unter Nichteinhaltung der richterlichen Vorschriften oder ohne die richterliche Genehmigung abgeschlossen werden, können sie, auch auf Antrag der Erben des Begünstigten, für nichtig erklärt werden lassen. Die entsprechende Klage verjährt innerhalb von 5 Jahren ab Abschluß des rechtswidrigen Geschäfts.
Zu den Aufgaben des Sachwalters gehört, neben der sorgfältigen Ausübung seines Amtes, auch die Abfassung einer jährlichen Rechnungslegung, die beim Vormundschaftsrichter hinterlegt werden muß, der dann kontrolliert, ob die richterlichen und die gesetzlichen Vorgaben eingehalten wurden, und ob das Vermögen des Begünstigten ordentlich verwaltet wurde.

Das Amt des Sachwalters ist grundsätzlich unentgeltlich auszuüben. Lediglich dann, wenn sich die Sachwalterschaft besonders kompliziert oder komplex gestaltet, kann der Richter eine Entschädigung für den Sachwalter vorsehen.
Die Sachwalterschaft endet mit dem Tod des Begünstigten, oder durch einen richterlichen Entscheid, falls die Gründe, die zur Sachwalterschaft geführt haben, nicht mehr da sind.
Der Sachwalter kann vom Richter jederzeit ausgetauscht werden.
Erwähnenswert ist auch, daß der Sachwalter nicht testamentarischer Erbe des Begünstigten sein kann, sofern das Testament vom Begünstigten, vorausgesetzt natürlich, er ist testierfähig, nach der Eröffnung der Sachwalterschaft verfasst wurde, außer es handelt sich um nahe Familienangehörige des Begünstigten.