Chile: Vertretung alter Menschen, falls diese nicht mehr handeln können

 In Chile kann jede erwachsene Person für sich selbst ohne Vollmacht handeln, soweit diese nicht über ein sogenanntes „Unmündigkeitsverfahren“ (declaración de interdicción) für handlungsunfähig erklärt wird. Zweck dieses Verfahrens sind die Unmündigkeitserklärung einer Person und die Benennung eines Vermögensverwalters, der die Güter der für handlungsunfähig erklärten Person verwaltet, durch einen Zivilrichter.

 Wer kann in Chile für unmündig erklärt werden?

a) Demente Personen und

b) Verschwender. Als Verschwender gilt eine Person, die aufgrund von wiederholten Verschwendungshandlungen eine vollkommene Abwesenheit von Umsicht bei der Verwaltung ihrer Angelegenheiten oder Geschäfte an den Tag legt.

 Für den Fall der Verschwender und für demente Personen fanden bis zum Inkrafttreten des Gesetzes 19.954 im Jahr 2004 die Artikel 456 ff. des chilenischen Zivilgesetzbuches Anwendung. Die durch das Zivilgesetzbuch geregelte Situation kommt weiterhin auf die Verschwender zur Anwendung. Grundlegend handelt es sich um ein Streitverfahren, in dem üblicherweise die nächsten Verwandten gegen die Person, die für unmündig erklärt werden soll, eine Klage erheben, wobei alle langwierigen Verfahrensschritte eines ordentlichen Gerichtsverfahrens abzuwickeln sind. Zusammenfassend lauten die Vorschriften des Zivilgesetzbuches wie folgt:

Was wird benötigt, um die Unmündigkeit zu erklären?

 a) Ein ärztliches, vom medizinischen Rechtsinstitut ausgestelltes Gutachten

 b) Gutachten des Staatsverteidigers

c) Anhörung des mutmaßlich Unmündigen durch den Richter

d) Anhörung durch den Richter, zu der die Verwandten des Beklagten zu erscheinen haben

e) Urteil, mit dem die Handlungsunfähigkeit erklärt wird

 Für die Durchführung der Unmündigkeitsklage ist das Zivilgericht am Wohnsitz des Beklagten zuständig.

 Nach erfolgter definitiver Unmündigkeitserklärung des Beklagten wird diesem die freie Verwaltung seiner Güter entzogen und es werden die Eintragung des Unmündigkeitsbeschlusses im Grundbuch sowie die Bekanntmachung durch Anzeigen in der Presse angeordnet. Des Weiteren wird die Person benannt, die als Vermögensverwalter des Unmündigen agieren soll. Dabei handelt es sich üblicherweise um diejenige Person, die die Unmündigkeitserklärung beantragt hat.

 Ab dem Zeitpunkt, in dem die Eintragung im Grundbuch erfolgt, sind alle Handlungen des Unmündigen vollkommen nichtig.

 Vor Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 19.954 musste sich in Chile jegliche Person mit geistiger Behinderung den Regelungen des Artikels 456 ff. des Zivilgesetzbuches unterwerfen. So mussten die Angehörigen der Person mit geistiger Behinderung ein gerichtliches Streitverfahren (ordentliches Verfahren mit langer Abwicklungszeit) einleiten, um den Richterspruch im Hinblick auf die Unmündigkeitserklärung derselben und Bestellung eines Vermögensverwalters zur Verwaltung ihrer Güter zu erlangen.

 Das Gesetz Nr. 19.954 besteht aus einem einzigen Artikel, der wie folgt lautet: „Wenn die geistige Behinderung einer Person im nationalen Behindertenregister eingetragen ist, kann deren Vater oder Mutter vom Richter beantragen, dass auf der Grundlage der gültigen Bescheinigung der Behinderung, die gemäß Titel II des Gesetzes Nr. 19.284 ausgestellt ist, und nach vorheriger Anhörung der behinderten Person, die endgültige Unmündigkeit wegen Demenz erklärt und der Vater oder die Mutter, die diese dauerhaft pflegen, zum endgültigen Vermögensverwalter bestimmt werden. Falls die dauerhafte Pflege von den Eltern gemeinsam übernommen wird, können beide als Vermögensverwalter eingesetzt werden. Der Richter handelt mit Kenntnis und vorheriger persönlicher Vorladung und Anhörung des Behinderten. Im Falle der Abwesenheit oder Verhinderung der Eltern können die nächsten Angehörigen in derselben Form vorgehen (…). Die Geldsumme, die an den Behinderten für dessen persönliche Ausgaben zugeteilt wird, kann angemessen vom Vermögensverwalter selbst gemäß dem Behinderungsgrad bestimmt werden. Die für unmündig erklärte Person kann mit der Genehmigung des Vermögensverwalters Arbeitsverträge abschließen.“

 Das Verfahren wird somit durch ein teilweises Verwaltungsverfahren ersetzt, da die geistige Behinderung der Person, die für unmündig erklärt werden soll, im nationalen Behindertenregister eingetragen sein muss. Die Unmündigkeitserklärung erfolgt durch die offiziellen Ärzte der Kommissionen für Präventiv- und Invaliditätsmedizin (COMPIN). Das Gerichtsverfahren wird in ein nicht streitiges Verfahren umgewandelt, in dem sich der Richter darauf beschränkt, die Person, die für unmündig erklärt werden soll, zu einer persönlichen Anhörung vorzuladen, um sich seine eigene Meinung zu bilden. Danach erfolgt die Beschlussfassung.

 Viele Zivilgerichte in Chile wickeln diese Verfahren jedoch noch teilweise nach den alten Regelungen ab und fordern eine Reihe von zusätzlichen Bedingungen, die nicht im Gesetz 19.954 vorgeschrieben sind, wie zum Beispiel Gutachten der Staatsanwaltschaft, Zeugenerklärungen etc. . Nur nach und nach haben die chilenischen Zivilgerichte dieses neue, vereinfachte Verfahren übernommen.

Andreas Löbel

Abogado, Löbel & González – Falk & Löbel

Santiago de Chile, Chile